Die fünf Wirtschaftsvereine, die den Handel in Währing ankurbeln sollen, haben in den letzten Jahren hohe öffentliche Förderungen bekommen. Wofür dieses Geld ausgegeben wurde, lässt sich für Außenstehende aber nicht feststellen. Die Finanzierung des Straßenfestes hängt weiter in der Luft
Völlig veraltete Informationen im Internet
Wer aktuelle Informationen über die Wirtschaft im 18. Bezirk finden will, ist auf den Homepages der fünf Wirtschaftsvereine fehl am Platz. Die Fleischerei Bauer am Gersthofer Platzl gibt es laut diesen Seiten immer noch, genau so wie den „Kaufmanns-Laden“ am Vogl-Markt, Steirer-Moden in der Währinger Straße oder das Autohaus Havelka. Zu finden sind Rückblicke auf das Straßenfest 2017 oder den Fasching 2014. Auf der Homepage des Währinger Wirtschaftsvereins behandelten die aktuellsten Einträge die Frage, wann die Geschäfte nach dem Lockdown 2021 wieder öffnen. Zu lesen war das bis vergangenen Freitag. Nach der Rückfrage von „Unser Währing“ bei Vereinsobmann Michael Richter war die Homepage dann auf einmal im „Überarbeitungsmodus“ und nicht mehr verfügbar.
Wirtschaftsvereine sind auf der Suche nach Geld für das Straßenfest
Unsere Recherchen zu den Einkaufsvereinen haben offenbar hektische Aktivitäten ausgelöst. Nicht nur die völlig veraltete Homepage ist inzwischen abgeschaltet. Wenige Tage nach unserem Artikel über die Unzufriedenheit mit dem Straßenfest Ende Februar wurde sehr kurzfristig zu einem Treffen der Geschäftsleute geladen, um über die Zukunft des Festes zu beraten.
Und einen Tag nach unserer schriftlichen Anfrage am 20.3., wie das Straßenfest in diesem Herbst finanziert werden soll, landete ein Mail vom Wirtschaftsverein bei der Bezirksvorstehung. Inhalt: Die Bitte um finanzielle Unterstützung. Da die Wiener Wirtschaftsagentur die Förderung für die Wirtschaftsvereine im Herbst gestrichen hat, müssen sie jetzt eine andere Geldquelle finden.
Mehr als 105.000.- Euro öffentliche Förderungen in den letzten drei Jahren
Nach dem ersten Artikel über das Straßenfest hat uns eine große Zahl von Nachrichten mit Hinweisen und Hintergrundinformationen über die fünf Vereine erreicht. Die Unzufriedenheit in den Geschäftsstraßen ist offenbar groß. Um ein klareres Bild zu bekommen, haben wir beim bisher größten Fördergeber nachgefragt, der Wiener Wirtschaftsagentur. Allein von dort sind in den letzten drei Jahren 105.314.- Euro geflossen. Die Verwendung dieser Mittel wurde durch die Wirtschaftsagentur geprüft, für alle Ausgaben liegen auch Rechnungen vor. Dazu kommen weitere Förderungen von der Wirtschaftskammer Wien, deren genaue Höhe uns nicht vorliegt. Bei ähnlichen Vereinen in anderen Bezirken liegen sie bei mehreren tausend Euro pro Jahr.
Fünf Wirtschaftsvereine - aber nur zwei Vorstands-Teams
Dass es in Währing fünf verschiedene Wirtschaftsvereine gibt, ist historisch gewachsen. Der Vorteil, wenn es mehr Vereine gibt: Es gibt mehr Möglichkeiten sich Förderungen abzuholen. Schaut man sich die Vorstände der Vereine an, ist es mit der Vielfalt aber schon wieder vorbei. Zwei Teams haben in den Vereinen das Sagen. Bei zwei Vereinen sind Michael Richter und Barbara Marx im Vorstand, bei einem nur Michael Richter. Bei den beiden anderen ist es Ingrid Jung-Blaha. Was die drei Personen gemeinsam haben: Sie Alle sind aktive Funktionäre der ÖVP, Marx und Richter sogar Bezirksräte.
Vereins-Vorstände unklar, Fristen überschritten
Ein Blick in das Vereinsregister zeigt noch mehr: Bei keinem der fünf Vereine scheint ein Kassier oder ein Rechnungsprüfer auf. Wer die Verwendung der öffentlichen Fördermittel und der Mitgliedsbeiträge verwaltet und kontrolliert, ist von Außen weder erkennbar noch nachvollziehbar. Das ist im Vereinswesen außerordentlich ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, dass bei den Vereinen "IG Kaufleute Kreuzgasse" und "IG Kaufleute Kutschkerviertel" überhaupt nur eine einzige Person im Vereinsregister aufscheint. Bei einem der Vereine ist außerdem die Funktionsperiode der Vorstände Anfang März abgelaufen.
Wir behaupten nicht, dass eine der genannten Personen Gelder zweck- oder gesetzeswidrig verwendet hat. Gegenüber den Vereinsmitglieder wurde laut unseren Informationen aber schon länger keine Rechenschaft über die Verwendung der Mittel abgelegt. Da es sich bei den Förderungen in der Höhe von mehr als 105.000 Euro um Steuergeld handelt, wäre auch eine Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit angebracht.
Kutschkerdörfl und Kreuzgasse: Keine Zeit und keine Lust zu antworten
Wir haben bei den fünf Vereinen nachgefragt, wie es mit der internen Kontrolle der Gelder ausschaut, wieviele Mitglieder sie haben, ob es Kassiere und Rechnungsprüfer existieren und ob es Pläne gibt die Vereine überparteilich aufzustellen. Um der journalistischen Sorgfaltspflicht zu entsprechen, haben wir um eine Antwort innerhalb einer angemessene Frist gebeten. Kurz und bündig war die Antwort von Ingrid Jung-Blaha, der Obfrau beim IG Kutschkerdörfl und der IG Kaufleute Kreuzgasse: Es gebe sehr wohl einen Kassier. Wer das sei, werde sie aber nicht verraten. Darüber hinaus habe sie keine Zeit und keine Lust zu antworten, teilte sie bei einem Telefonat mit "Unser Währing.at" mit.
Tatsächlich haben sich die beiden Vereine von den Unternehmen in den beiden Gebieten weitgehend abgekoppelt. Unsere Nachfragen am Kutschkermarkt haben gezeigt, dass die wichtigen Unternehmen nicht Mitglieder beim "IG Kutschkerdörfl" sind. Unter den beiden Marktsprechern Ines Mayr und Florian Ott hat sich längst eine neue Marktvertretung etabliert, die die Interessen der StandlerInnen wahrnimmt, selbst Veranstaltungen durchführt und mit dem Verein von Ingrid Jung-Blaha nichts zu tun hat.
Ähnlich schaut es in der Kreuzgasse und am Johann-Nepomuk-Vogl-Markt aus. Am Markt in Erinnerung geblieben ist eine Veranstaltung der "IG Kaufleute Kreuzgasse" im vergangenen Frühjahr: Der Termin wurde nicht mit den StandlerInnen abgestimmt, sie erfuhren erst wenige Tage vorher davon. Am gleichen Tag fand am Markt außerdemein zweites Fest statt, das vom Marktamt finanziert wurde. Information oder Koordination hatte es im Vorfeld offenbar keine gegeben.
Währinger Straße und Weinhaus - Keine Auskunft ist auch eine Auskunft
Noch weniger Antworten kommen von den anderen drei Wirtschaftsvereinen. Nach unser schriftlichen Anfrage haben wir bei Michael Richter angerufen, der Obmann beim Währinger Wirtschaftsverein, dem Wirtschafts- und Kulturverein Weinhaus und dem WähringeStraßenFestVerein ist - obwohl er nicht in Währing wohnt und hier auch kein Unternehmen hat. In dem Telefonat haben wir darüber gesprochen, ob es Kassiere und Rechnungsprüfer gibt, warum sie nicht öffentlich bekannt sind, ob und wann Mitgliederversammlungen stattfinde und über die sinkende Zahl der Mitglieder. Gesprochen haben wir außerdem über mögliche Aufträge der Vereine an Firmen mit familiären Beziehungen zum Obmann, Auszahlungen der Vereine an die Vorstände, die völlig veraltete Homepage, die Finanzierung des Straßenfestes und noch einiges mehr.
Kurz darauf untersagte Michael Richter per Mail, seine Antworten während des Telefonates zu veröffentlichen. Das entspricht zwar nicht den journalistischen Gepflogenheiten, wir kommen diesem Wunsch von Herrn Richter aber gerne nach. Kurz nach dem Gespräch ging dann die völlig veraltete Homepage offline.
Nicht genug Geld fürs Straßenfest, aber genug für ÖVP-Inserate
In dem Mail hält Richter fest, er dürfe keine Informationen über die Vereine an Dritte weitergeben. Die Förderungen seien durch die Wirtschaftsagentur Wien, die Wirtschaftskammer und die Finanz überprüft worden, die Buchhaltung werde von einer externen Agentur erledigt. Die Vereine hätten nichts mit Parteipolitik zu tun. Und wer nicht zufrieden sei, könne jederzeit einen eigenen Verein gründen und eigene Aktivitäten organisieren.
Bei der Parteipolitik gibt es aber berechtigte Zweifel an dieser Aussage. Vor der letzten Gemeinderatswahl schaltete der Währinger Wirtschaftsverein mehrere Inserate in Bezirksmedien, in denen ausschließliche Funktionäre der ÖVP zu sehen waren. Auch die damalige ÖVP-Spitzenkandidatin Kasia Greco war darauf abgebildet - obwohl sie laut Vereinsregister keine Funktion in den Vereinen hat. Ein Schelm wer hier an einen Zusammenhang mit der Wahl denkt. Auch das Straßenfest haben die Funktionäre in der Vergangenheit als Bühne für Parteiaktivitäten benützt: Die Präsentation de ÖVP-Pläne für die Umgestaltung des Aumannplatzes am 17.9.2021 fand im Rahmen des Straßenfestes statt.
Wer zahlt das Straßenfest?
Das alles löst aber nicht die Frage, wer das heurige Straßenfest finanzieren wird. Mit der Förderung der Wirtschaftsagentur wurde bisher der Löwenanteil der Kosten bezahlt - allein die Sperre der Straße und die Umleitung der Straßenbahn kostet mehrere zehntausend Euro. Die Unzufriedenheit bei Geschäftsleuten und Anrainern über die bisherige Organisation des Festes ist außerdem groß, wir haben darüber berichtet.
Mehrere Geschäftsleute haben im Gespräch mit "Unser Währing.at" angekündigt, sich nicht mehr am Fest zu beteiligen - die von den Wirtschaftsvereinen geforderten Beiträge seien zu hoch, diese Art des Festes habe keinen Sinn und würde sich wirtschaftlich nicht rentieren.
Wirtschaftsvereine wollen Geld vom Bezirk
Obmann Michael Richter hat deshalb beim Bezirk um finanzielle Unterstützung angefragt, das wurde uns von der Bezirksvorstehung bestätigt. Ein ähnliches Manöver gab es bereits beim Kauf der neuen Weihnachtsbeleuchtung im Herbst 2020. Nachdem eine Crowdfunding-Aktion geplatzt war und der Verein das nötige Geld nicht aufstellen konnte, musste der Bezirk kurzfristig einspringen um die Weihnachtsbeleuchtung zu retten.
Das sei diesmal auf keinen Fall möglich, heißt es aus dem Amtshaus: Die geforderte Summe sei um ein vielfaches höher als damals. Sie sie so hoch, dass auf jeden Fall das Bezirksparlament eingebunden werden müsse. Das Budget für das heurige Jahr sei außerdem bereits im vergangenen Dezember beschlossen worden - die nachträgliche Bewilligung einer so hohen Summe sei nicht einfach.
Bezirksvorstehung: Straßenfest soll weiter stattfinden
Bezirksvorsteherin Silvia Nossek setze sich sehr dafür ein, dass das Straßenfest auch heuer stattfindet, heißt es auf unsere Anfrage - dazu gab es nach der Streichung der Förderung durch die Wirtschaftsagentur im Oktober auch eine Presseaussendung. Nossek habe zuletzt mehrmals bei Vereinsobmann Richter nachgefragt, wie es mit der Finanzierung aussehe - eine konkrete Antwort gab es aber erst am 21.3.2023 - einen Tag nach der Anfrage von "Unser Währing.at". Wo das Geld für das Straßenfest herkommen soll, dürfte derzeit weitgehend unklar sein. Genauso unklar, wie die Struktur der fünf Wirtschaftsvereine in Währing und wer ihre Kassiere und Rechnungsprüfer sind.
Unsere bisherigen Berichte zum Thema:
Bilder: Müller-Schinwald