Viele Reaktionen hat unser Bericht über das Währinger Straßenfest gebracht. Die Kritik ist einhellig: Das Fest sei verstaubt und in dieser Form nicht mehr zeitgemäß. Für viele Geschäfte ist es aber wichtig. Der Organisator ist uns gegenüber auf Tauchstation.
Verstaubt, aber wichtig
Es sei sehr gut, dass es das Straßenfest gibt, sagt Walter Seemann, der Bezirksobmann der Wirtschaftskammer für den 18. Bezirk. Die Rahmenbedingungen seien in den letzten Jahren schwierig gewesen – Stichwort Pandemie. In seiner jetzigen Form sei es auf jeden Fall ein bißchen verstaubt. Ob große Straßenfeste noch zeitgemäß seien, bei denen die BesucherInnen eng aneinander gedrängt durch die Straßen ziehen, müsse man diskutieren, sagt Seemann im Gespräch mit „Unser Währing.at“. Er appelliert an alle Geschäftsleute in der Währinger Straße sich zusammenzureden und gemeinsam eine Lösung zu finden. Das Fest müsse für alle Beteiligten funktionieren. Er mische sich nicht ein, aber darauf solle der Wirtschaftsverein, der das Straßenfest organisiert, auch eingehen. Das hat in der Vergangenheit offenbar nur bedingt geklappt: Die Mitgliederzahl des Vereins sei rückläufig, bestätigt Kammerfunktionär Seemann.
Straßenfest hat ein Imageproblem
Die Reaktionen auf unseren Bericht vergangene Woche waren sehr eindeutig: „Es wäre toll, wenn nicht so ein Ramsch verkauft werden würde“, schreibt eine Benutzerin auf Facebook. Sogar sie als Anrainerin meide am Tag des Straßenfestes die Währinger Straße, heißt es auf Twitter. Es wäre kein Verlust für Währing, wenn das Straßenfest in dieser Form nie mehr stattfinden würde, kommentiert ein Besucher auf „FragNebenan“. Und ein Unternehmen postet auf Instagram: „Es bittet nichts an was Kunden anziehend bezeichnet werden kann. Ein Flohmarkt vor den Geschäften und ein paar ,Würstchen- Anbieter‘ ist heutzutage eindeutig viel zu wenig!!!!“
Umsatzstärkster Tag des Jahres
Gemeldet hat sich auch Belinda Neidhardt vom Kindermodegeschäft „Augenstern“. Sie findet die Kritik am Straßenfest ungerecht. Für sie und einige benachbarte Geschäfte sei der Tag sehr wichtig, weil Restbestände aus dem Lager abverkauft werden können. Über Verbesserungen könne und müsse man immer reden. Klar sei aber: Das Straßenfest sei für sie der umsatzstärkste Tag des Jahres. Ihr Geschäft könne nicht darauf verzichten, erzählt sie beim Besuch von „Unser Währing.at“
Wer bezahlt, wenn es keine Förderung mehr gibt?
Die Kosten für das Straßenfest sind hoch. Am teuersten ist die Umleitung der Straßenbahn, für die mehrere zehntausend Euro veranschlagt werden müssen. Dazu kommen Straßenreinigung, Aufbaukosten der Bühnen, Gebühren und noch einiges mehr. Bisher gab es dafür Förderungen aus verschiedenen Töpfen der Stadt und der Wirtschaftskammer. Im Herbst wurde aber angekündigt, dass es diese Förderung künftig nicht mehr geben wird. Einspringen müssten wohl die Geschäfte in der Währinger Straße.
Bereits in den letzten Jahren lag die Standgebühr je nach Größe der gemieteten Fläche bei mehreren hundert Euro. Das müsse man erst einmal verdienen, erklärt eine Unternehmerin im Gespräch mit „Unser Währing.at“. Viele Geschäfte könnten sich das in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht wirklich leisten. Vor allem wenn das Fest den Geschäften nichts bringe. Wie wir vergangene Woche berichtet haben, liegen die Umsätze in vielen Geschäften am Tag des Straßenfestes deutlich unter denen von anderen Tagen.
Stellt sich das Straßenfest der Kritik?
Wir haben natürlich beim Organisator des Straßenfestes nachgefragt, dem Währinger Wirtschaftsverein und seinem Vorsitzenden Michael Richter. Bei unserer ersten Anfrage wurden wir auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Richter hat kein Geschäft und wohnt auch nicht in Währing, er ist aber Bezirksrat der ÖVP, ebenso wie seine Stellvertreterin. In einer ersten Antwort verwies er auf ein Treffen mit der Wirtschaftskammer am vergangenen Mittwoch. Auf eine weitere Nachfrage bekamen wir dann keine Antwort mehr.
Offen Fragen und unklare Strukturen bei den Organisatoren
Wir wollten vom Wirtschaftsverein mehr über die Zahl der Mitglieder und die letzte Wahl des Vorstandes erfahren. Wissen wollten wir auch, warum es weder Finanzreferenten, Rechnungsprüfer noch Schriftführer gibt und warum der Vorstand nur aus zwei Personen besteht – Michael Richter und seiner Stellvertreterin Barbara Marx – auch sie ist Bezirksrätin der ÖVP. Diese Zusammensetzung des Vorstands ist zwar legal, aber außerordentlich unüblich.
Auch auf diese Fragen haben wir keine Antwort bekommen. Neben dem Wirtschaftsverein gibt es noch den „WähringerStraßenFestVerein“, bei dem ebenfalls Michael Richter Vorsitzender ist. Laut dem Vereinsregister ist seine Funktionsperiode aber am 3.2.2022 abgelaufen – wir bleiben dran, um diese offenen Fragen zu klären.
Photos: Müller-Schinwald