Der Geschichte der Villen vom Cottage widmet sich das neue Buch von Marie-Theres Arnbom. Viele frühere Bewohner der Villen haben das Leben in Wien bis heute geprägt.
Vom Wohnprojekt zur Villengegend
Vor 150 Jahren begann auf dem Gebiet rund um eine Sandgrube im wilden Westen Wiens die Planung dessen, was heute das Cottage ist. Statt in der überfüllten, ungesunden Großstadt sollten Familien in eigenen Häusern im Grünen wohnen können. Das war zumindest die Idee der Gründerväter des Cottage-Vereins. Und die Auswirkungen dieser Gründung reichen weit über den 18en und 19en Bezirk hinaus. Idee und Gestaltung waren Inspiration für andere Gegenden Wiens und auch für Viertel in anderen mitteleuropäischen Städten.
Viele Bewohner und Bewohnerinnen wurden vertrieben oder ermordet
Nach den Villen von Pötzleinsdorf, dem Ausseer Land und Baden widmet sich Marie-Theres Arnbom in diesem Buch einer Gegend, die sie seit ihrer Jugend kennt. Sie porträtiert die Bewohnerinnen und Bewohner von 22 Häusern in Währing und Döbling und erzählt dabei, welche Spuren sie bis heute in Wien hinterlassen haben – auch wenn sehr viele von ihnen von den Nationalsozialisten vertrieben oder ermordet wurden. Gleich der erste Eintrag über das Haus Lannerstraße 9 widmet sich dem Haus eines Musikwissenschaftlers, dessen Bücher auch nach seinem Tod Standwerke in seinem Fach waren. Guido Adler verfasste 1924 das dreibändige Handbuch der Musikgeschichte, dass Arnbom selbst während ihres Studiums begleitet hat.
Die Villen vom Wiener Cottage
Wenn Häuser Geschichten erzählen
Amalthea-Verlag
1. Auflage, mit zahlr. Abb., 272 Seiten
28.- Euro
Präsentation des Buches bei der Buch Wien am 24.11.2024 um 14.30, ORF-Bühne, Messe Wien, Halle D.
Persönliche Kontakte halfen bei der Recherche
Auch in anderen Häusern konnte Arnbom auf persönliche Kontakte zurückgreifen. Der Besuch bei einer Freundin brachte sie zum Beispiel auf die Spur der Villa des Tabakkönigs Kiazim Emin Bey in der Weimarer Straße 49. In der Zwischenkriegszeit war er einer der größten Tabakhändler Europas. Die Villa in Wien benutzte er auch als Kreditgarantie für seine internationalen Geschäfte, die Arnbom nachzeichnet.
Nur wenig Rückkehrer nach 1945
Eine bis heute geltende Mahnung sind die Geschichten vieler Häuser, deren Bewohner nach 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und erpresst wurden. Viele enden in einem der Konzentrationslager in Osteuropa, in Theresienstadt oder in Maly Trostinec. Nur in den wenigsten Fällen konnten die Familien der früheren Besitzer zurückkehren und ihr Eigentum zurückbekommen. Die Beschreibung der bürokratischen Prozesse, mit denen die Restitution nach 1945 behindert wurde, lesen sich fast ebenso schmerzhaft wie die der Enteignungen einige Jahre vorher.
Standardwerk zur Geschichte des Bezirks
Arnbom hat das Buch in zwei Wanderungen gegliedert, mit denen man die Geschichte der Gegend nachvollziehen kann. Zahlreiche Bilder erinnern an die früheren Bewohner und Bewohnerinnen und zeigen, wie die Häuser vor hundert oder mehr Jahren ausgesehen haben. Wer sich für die Geschichte Währings interessiert, stößt hier auf viele neue Informationen und Hintergründe. Gemeinsam mit dem Buch über die Villen von Pötzleinsdorf ist der Autorin in ihrem Bereich gelungen, was auch der frühere Cottage-Bewohner Guido Adler geschafft hat: Ein Standardwerk in ihrem Fach – in diesem Fall über die Geschichte des Bezirks.
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Photo: Silke Ebster