Ein Straßenfest gegen die Geschäftsleute der Währinger Straße

Währinger straßenfest Barbara Kugler

Die Stimmung bei den BesucherInnen war gut, bei den Geschäftsleuten hingegen brodelt es. Es gibt massive Kritik an Organisation, Abwicklung und Ankündigung. Einige UnternehmerInnen glauben, für Kritik absichtlich „bestraft“ worden zu sein, die Rede ist sogar von einem Straßenfest gegen die Geschäftsleute.

Geschäfte von Kritikern werden blockiert

Der Tag des Straßenfestes brachte für das Blumengeschäft von Barbara Kugler einen deutlichen Umsatzeinbruch. Damit ist sie nicht alleine, bei ihr und dem benachbarten Geschäft „Wolle und Faden“ ist es aber besonders krass. Beide Geschäfte haben sich nicht am Fest beteiligt – sie hätten an die Organisatoren des „Währinger Wirtschaftsverein“ mehrere hundert Euro zahlen müssen, um vor ihren eigenen Geschäften stehen zu dürfen. Das hätte sich wirtschaftlich einfach nicht ausgezahlt, sagt Kugler. Offenbar als Retourkutsche wurden die beiden Geschäfte durch große Marktstandeln fast vollkommen von der Straße abgeriegelt. Für ihre Kunden waren sie dadurch praktisch nicht erreichbar.

Barbara Kugler hat sich in der Vergangenheit immer wieder öffentlich mit Kritik an der Organisation des Straßenfestes zu Wort gemeldet. An einen Zufall will sie daher nicht glauben. Ihre Geschäftstätigkeit sei an diesem Tag extrem eingeschränkt gewesen, klagt sie. Dabei habe es genügend freie Plätze auf de Straße gegeben – man hätte die Stände also ohne weiteres an einem anderen Platz unterbringen können, ohne die Geschäft so zu blockieren.

Währinger straßenfest Barbara Kugler

Mehrere andere Unternehmer erheben ähnliche Vorwürfe. Um bei künftigen Festen nicht ähnlich schlecht behandelt zu werden wie Barbara Kugler, wollen sie aber nicht namentlich genannt werden. Ein Rundgang von „Unser-Währing.at“ beim Fest stützt ihre Wahrnehmung. Vor Unternehmen, die sich nicht am Fest beteiligt haben, wurden besonders große Marktstände oder Food-Trucks platziert. Die Geschäfte waren für die FestbesucherInnen daher kaum zu erkennen – von einer Werbung für spätere Besuche ganz zu schweigen.

Umstrittene Vereine als Organisatoren

Das Straßenfest wirbt damit, dass die Geschäftsleute der Währinger Straße zum Feiern einladen würden. Organisiert wird es von zwei Vereinen, dem „Währinger Wirtschaftsverein“ und dem „WähringerStraßenfestVerein“. Obmann beider Vereine ist Michael Richter, der weder ein Geschäft in der Währinger Straße hat noch im Bezirk wohnt. Dafür ist er, ebenso wie seine Stellvertreterin, Bezirksrat der ÖVP. Die Vereine sind schon seit längerer Zeit umstritten. Nicht einmal die Funktionsträger sind bekannt: Obmann Richter nutzt einen sehr selten genutzten Paragrafen des Vereinsgesetzes, um nicht bekanntgeben zu müssen, wer Kassier, Rechnungsprüfer, Schriftführer etc. ist. Für Vereine, die sich wesentlich aus öffentlichen Förderungen finanzieren, ist das eine äußerst ungewöhnliche Vorgangsweise.

Verein weist Vorwürfe zurück

Auf unsere Anfrage schreibt Vereinsobmann Michael Richter, der Zugang zu den Geschäften sei jederzeit gewährleistet gewesen. Und weiter: „Wie Ihnen beim Besuch des Festes wahrscheinlich nicht entgangen sein dürfte, gab es heuer so viele Aussteller wie noch nie zuvor in der langjährigen Geschichte des WähringerStraßenFestes. Es ist uns gelungen die Straße durchgängig mit Marktständen zu bespielen und es war kaum mehr freier Platz verfügbar. Das dieses attraktive Angebot auch bei den Besucher:innen gut ankommt beweist auch ein neuer Rekord bei den Besucher:innenzahlen.“

Praktisch keine Ankündigung für das Fest und keine Werbung für die Geschäftsstraße

Das Währinger Straßenfest ist bei vielen BesucherInnen beliebt und könnte eine wichtige überregionale Werbung für die Geschäftstraße sein. Für viele Betriebe hat es eine weitere wichtige Funktion: Restbestände aus dem Lager können an diesem Tag mit Rabatten abverkauft werden. Dazu wäre es aber wichtig, dass Publikum aus anderen Bezirken zum Fest kommt. Wien-weite Inserate oder andere Werbung für das Straßenfest hat es heuer aber nicht gegeben. Die Plakate sollen erst wenige Tage vor dem Termin geliefert worden sein, heißt es von den Geschäften. Auch im Internet und den Sozialen Medien waren praktisch keine Ankündigungen zu finden (außer auf den Seiten einiger Unternehmen). Professionelle Presse- oder Öffentlichkeitsarbeit war nicht ansatzweise zu bemerken. Für das überregionale Image als Geschäftsstraße hat das heurige Straßenfest daher keinen Nutzen gebracht.

Währinger Straßenfest Standl

Mehrheit der Geschäftsleute nicht für Straßenfest

Vereinsobmann Michael Richter hat zuletzt immer wieder behauptet, eine Mehrheit der Geschäftsleute hätte sich eindeutig für eine Beibehaltung des Straßenfestes entschieden. Davon kann keine Rede sein. Bei weitem nicht alle Geschäftsleute der Währinger Straße sind überhaupt Mitglieder des Vereins, die Mitgliederzahl der Einkaufsvereine ist in den letzen Jahren auch immer kleiner geworden – das bestätigte der Obmann der Wirtschaftskammer im Bezirk Walter Seemann bei einem Gespräch im Frühjahr.

Bei einer Befragung der Mitglieder des Währinger Wirtschaftsvereins über das Straßenfest vor dem Sommer haben nur 40% der Stimmmberechtigten teilgenommen. Davon waren 9% gegen das Fest, das zeigen Unterlagen die „Unser Währing.at“ vorliegen. Bei großzügiger Rechnung hat sich also höchstens ein Drittel der Geschäfte für das Fest in seiner derzeitigen Form ausgesprochen. Der Rest – also eine sehr große Mehrheit – ist entweder dagegen oder hat die Meinung dazu nicht zum Ausdruck gebracht.

Bezirk hat das Fest finanziell gerettet – und will jetzt Gespräch mit Organisatoren suchen

Dass das heurige Straßenfest überhaupt stattfinden konnte, ist nur der Unterstützung des Währinger Bezirksvertretung und Bezirksvorsteherin Silvia Nossek zu verdanken. Die Stadt Wien hat den Einkaufsstraßen-Vereinen vergangenes Jahr die Förderungen gestrichen – mit dieser Förderung wurde früher knapp die Hälfte der rund 40.000 Euro bestritten, die das Fest kostet. Stattfinden konnte es nur, weil der Bezirk eingesprungen ist und zugesagt hat diese große Lücke zu übernehmen. Bezirksvorsteherin Nossek ist bereits am Tag des Straßenfestes mit den Vorwürfen der UnternehmerInnen konfrontiert worden und hat sich selbst ein Bild gemacht. Auf Anfrage von Unser-Währing.at wollte sie die Situation noch nicht kommentieren sondern zuerst das Gespräch mit den Organisatoren suchen.

Vereinsregisterauszug

Weitere offene Fragen zu Vereinen

Eine Recherche im Vereinsregister zeigt beim Währinger Wirtschaftsverein eine weitere interessante Entwicklung. Die Amtszeit des aktuellen Vorstandes sollte eigentlich am 22.9.2023 auslaufen, damit wäre eine Neuwahl des Vorstandes bereits überfällig – das ergab ein Blick ins Vereinsregister zu Beginn des Sommers (sh. Bild). Laut dem aktuellen Vereinsregisterauszug lautet das Ende Funktionsperiode aber plötzlich „unbestimmt“. Eine Vollversammlung des Vereins, bei der ein entsprechender Beschluss getroffen hätte werden können, hat laut Auskunft mehrerer Mitglieder aber nicht stattgefunden. Obmann Richter wird bei der nächsten Sitzung des Vereins wohl einiges zu erklären haben.

Mehr zum Straßenfest und den Einkaufsvereinen:

9.8.2023: Öffnungszeitendschungel in Währinger Straße

26.3.2023: Viele offene Fragen zu Einkaufsstraßenvereinen

4.3.2023: Das Straßenfest in der Kritik

25.2.2023: Das Straßenfest muss anders werden

Photos: Unser Währing.at