Ein Roman, ein hier lebender Schriftsteller, das Haus eines bedeutenden Architekten – die slowenische Kultur hat in Währing ihre Spuren hinterlassen. Besonders in der slowenischen Literatur hat der 18. Bezirk eine wichtige Rolle gespielt – das zeigte sich bei einer Führung des „Slowenischen Institutes Wien“ durch den Bezirk.
Sozialkritischer Roman der Jahrhundertwende
„Leise schloss sich das große eiserne Tor, im düsteren Gang, auf den kalten Wänden, leuchtet einen Lidschlag lang die Herbstsonne“. So beginnt der Roman „Hiša Marije Pomočnice“ – auf Deutsch „Das Haus der Barmherzigkeit“. Darin beschreibt Ivan Cankar, das Leben und den Tod des kleinen Mädchens Malči, das von ihrer Mutter in das Ordensheim für unheilbar kranke Kinder gebracht wird. Inspirieren ließ sich Cankar vom damaligen Haus der Barmherzigkeit in der Vinzenzgasse.
Ivan Cankar gilt als einer der bedeutendsten slowenischen Schriftsteller der Jahrhundertwende, von 1896 bis 1909 lebte er als Journalist und Feuilletonist in Wien-Ottakring. Für die Geschichte der Malči habe er sich von der Tochter seiner Vermieterin inspirieren lassen, erzählte Erwin Köstler bei einer Führung durch Währing, der den Roman ins Deutsche übersetzt hat. Er habe das Kind, das damals tatsächlich im „Haus der Barmherzigkeit“ untergebracht war, oft besucht. Seine Beschreibung des Lebens im Pflegeheim war beim Erscheinen des Buches auch durchaus umstritten.
Die Neuübersetzung des Buches, die 1996 beim Drava-Verlag in Klagenfurt/Celovec erschienen ist, ist derzeit leider vergriffen und nur antiquarisch verfügbar.
Führung sucht nach slowenischen Spuren
Organisiert wurde die Führung durch den Bezirk vom Slowenischen Institut in Wien. Innerhalb von 20 Minuten Fußweg könne man in Währing mehrere wichtige Spuren der slowenischen Geschichte finden, freut sich Institutsvorstand Herbert Seher, der auch selbst in Währing wohnt. Ein besonders sichtbares Zeichen lässt sich in der Lacknergasse finden. Das Haus mit der Nummer 98, das heute die „Zweite Gruft“ der Caritas beherbergt, wurde vom slowenischen Architekten Jože Plečnik entworfen, einem Schüler von Otto Wagner.
Von der Lacknergasse nach Ljubljana
In Wien hat Plečnik unter anderem das Zacherlhaus im ersten Bezirk entworfen, mitgewirkt hat er außerdem aneiner großen Zahl von Stationen der Stadtbahn am Gürtel, also der heutigen U6. Sein Hauptwerk findet sich aber in Prag und noch mehr in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, deren Innenstadt maßgeblich von Plečnik mitgestaltet wurde.
Das Haus in der Lackngerasse wurde 1907 als Kinderschutzstation errichtet. Beim Bau gab es aber einige Unstimmigkeiten, Plečnik war mit der Umsetzung seiner Pläne nicht zufrieden. Zumindest bei der Gestaltung der Außenfassade lassen sich aber einige Elemente finden, die klar auf ihn als Architekten hinweisen.
Herbeckstraße als Heimstatt slowenischer Literatur
Keine baulichen Spuren hat ein anderer Autor hinterlassen, der als einer der Väter der modernen slowenischen Literatur gilt. Josip Stritar gab hier von seiner Wohnung in der Herbeckstraße 84 aus die Literaturzeitschrift „Zvon“ heraus, zu deutsch „Glocke“. Geboren wurde 1836 in der Nähe von Laibach, von 1876 bis 1901 unterrichtete er am Piaristengymnasium in Wien. Seine Sprache und seine Lyrik gelten bis heute als formgebende für die slowenische Literatur. Seine Bedeutung erkennt man unter anderem daran, dass die „Stritarjeva ulica„, eine der Hauptstraßen Ljubljanas, nach ihm benannt ist. Die von ihm begründete Zeitschrift „Zvon“ existiert übrigens noch immer.
Heute sind die slowenischen Spuren in Währing schwer zu finden. Wieviele Sloweninnen und Slowenen es genau gibt, lässt sich nicht herausfinden – in der Statistik der Stadt Wien wird Slowenien nicht extra angeführt sondern fällt in die Kategorie der „anderen europäischen Länder“. Und viele slowensich-sprachige verstecken sich in der Statistik außerdem unter den mehr als 1.200 WähringerInnen, die ursprünglich aus Kärnten stammen.
Beliebt bei Kärntner SlowenInnen
Bei der Führung waren neben Institutsvorstand Herbert Seher noch mehrere slowenisch-stämmige WähringerInnen dabei. Der 18. Bezirk sei bei Kärntner Slowenen und Sloweninnen sehr beliebt, erzählt Theresia Krušic-Sahiner bei der Führung des slowenischen Institutes. Sie selbst lebt seit 16 Jahren im Bezirk und betreibt hier eine Werbeagentur. Angezogen habe sie damals vor allem das gute Angebot an Schulen. Wer aus Kärnten nach Wien ziehe, suche das urbane-städtische Leben, ergänzt der Journalist Stefan Vospernik. Ganz ohne Natur wäre das Leben aber doch schwer auszuhalten – und der 18. Bezirk sei da ein guter Kompromiss.
Bilder: Müller-Schinwald, Wikipedia