Alsergrund bleibt bis 2032 schwarzes Loch für Radverkehr

Radverkehr Alsergrund

Von Währing gibt es keine einzige sichere Route für den Radverkehr in den ersten Bezirk – und das soll bis 2032 (!) so bleiben – das ergibt unsere Recherche nach der Frage einer Leserin. Die SPÖ Alsergrund, die dafür verantwortlich ist, gibt sich gerne progressiv. Statt konkreter Maßnahmen gibt es aber nur Symbolpolitik.

Ihre Frage: Wie komme ich sicher mit dem Rad zum Schottentor

Ihre Frage Radverkehr Alsergrund

Unsere Leserin M. Theresia hat per Mail die Frage geschickt, ob es Pläne für eine sichere Radverbindung aus Gersthof in den ersten Bezirk zum Schottentor gibt. Tatsächlich ist diese Verbindung derzeit eine reine Katastrophe. Nicht einmal auf Nebenstraßen und Schleichwegen gibt es derzeit eine sichere Route aus dem 18. in den 1. Bezirk – dabei wäre die Entfernung geradezu ideal, um mit dem Rad zu fahren. Wir haben bei den zuständigen Stellen nachgefragt.

Bezirksvorstehung Alsergrund: Symbolpolitik statt echte Maßnahmen

Für den Ausbau des Radverkehrs spielen die Bezirke eine ganz wesentliche Rolle. Aber trotz mehrmaliger Nachfrage haben wir von der SPÖ-geführten Bezirksvorstehung im 9. Bezirk keine Antwort bekommen. Die Bezirks-SPÖ gibt sich zwar progressiv und hat sich zum Beispiel gegen den Bau des Lobautunnels eingesetzt. Wenn es um Maßnahmen im eigenen Bezirk geht, herrscht aber Betonpolitik. Am Balkon des Amtshauses hängt ein großes Plakat, in dem sich der Bezirk mit den Frauen im Iran solidarisiert – ein wichtiges und positives Zeichen. Noch wichtiger und positiver wäre es, wenn die Währinger Straße direkt unter dem Plakat auch eine sichere Verbindung für RadfahrerInnen wäre. Unsere Bitte: Weniger Symbolpolitik, dafür mehr echte Maßnahmen um Klimagerechtigkeit in Wien durchzusetzen!

Mobilitätsagentur: Änderung wird bis 2032(!) nicht einmal angedacht

Eine Antwort bekommen haben wir von der Mobilitätsagentur Wien, die unter anderem für die Förderung des Radverkehrs in der Stadt zuständig ist. Darin heißt es:

„Gerade wird in Währing die Schulgasse umgestaltet, um eine bessere Verbindung von Bezirk zumindest bis zu Gürtel zu gewährleisten. Im Bereich des 9. Bezirks laufen gerade die Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen für den Bau der U-Bahn-Verlängerung. Diese wird zu einer Änderung des Straßenraumes führen. Und zwar genau in dem Bereich, der an den 18. grenzt. Im Rahmen dieser Arbeiten sind auch Verbesserungen für den Radverkehr angedacht, da die Oberfläche ja neu gestaltet wird. Konkrete Maßnahmen sind aber zur Zeit noch nicht zu nennen. Umbauarbeiten vor dem Bau der U-Bahn wären nicht sehr sinnvoll und sind deshalb nicht angedacht.“

Das klingt auf den ersten Blick vernünftig und nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick ist diese Antwort aber ein ziemlicher Hammer: Mit dem Beginn der Bauarbeiten der U-Bahn in diesem Bereich ist nämlich nicht vor 2028 zu rechnen. Und laut dem aktuellen Zeitplan erfolgt die Fertigstellung erst in den Jahren 2032-2035. Bis dahin gibt es also nicht einmal ÜBERLEGUNGEN, wie der Radverkehr auf dieser wichtigen Route verbessert werden kann – von konkreten Maßnahmen ganz zu schweigen.

Radlobby: Stadt Wien soll radiale Verbindungen ausbauen

Wir haben die Frage unserer Leserin auch an die Radlobby Wien weitergeleitet. Darauf haben wir folgende Antwort bekommen: „Als Radlobby Wien unterstützen wir die Forderung nach hochqualitativen radialen Verbindungen Währing<->Zentrum, die alle Alters- und Nutzergruppen zum Radfahren einlädt. Von daher motivieren und unterstützen wir Initiativen von BewohnerInnen wie Petitionen oder Ähnliches. Auf der Währinger Straße im Alsergrund hat die Radlobby Wien 2019 mit der Aktion Teddybär für Radverkehr ein deutliches Zeichen für kindertaugliche Radwege gesetzt. 

Radlobby Alsergrund Karte

Wir haben in den Jahren bis 2021 das wienweite Radlobby-Basisnetz als Orientierungshilfe für neue/bessere Hauptradrouten entwickelt. Aus Währing sollten hier attraktive Routen über die Gentzgasse und die innere Währingerstraße, die Lichtensteinstraße und Alser Straße ins Zentrum führen. Uns sind jedoch aktuell keine definitiven Pläne zur Umsetzung durchgängiger Routen bekannt. Auch im letzten Rad-Bauprogramm 2023 ging dieser große Bereich Wiens leider leer aus. Hier wäre die Stadt Wien aufgerufen, endlich radiale Qualitätsrouten gemäß Hauptradverkehrsnetz & Stadtentwicklungsplan umzusetzen und der Bezirk Alsergrund (auch: Währing und Innere Stadt), dies zuzulassen.“

Bezirksvorstehung Währing: Ziel ist sichere Radverbindung zum Gürtel und darüber hinaus

Auch die Bezirksvorstehung Währing reagiert so, wie es auf BürgerInnenanfragen eigentlich selbstverständlich sein sollte. Bezirksvorsteherin Silvia Nossek hat uns eine umfangreiche Antwort geschickt: „Ziel des Bezirks ist eine gute, durchgängige Radverbindung vom Pötzleinsdorfer Schloßpark bis zum Gürtel – und ja, darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Stadt und 9. Bezirk auch bis zum Ring. Was den Teil im 18. Bezirk anlangt: Mit dem 2022 gebauten Radweg durch die Pötzleinsdorfer und Gersthofer Straße und der Weiterführung über Erndtgasse, Hockegasse, Alsegger Straße und Thimiggasse gibt es schon eine gute Verbindung bis zur Gersthofer Straße / Währinger Straße.

Währing fährt Rad - BV18

Zwischen Gersthofer Straße und Aumannplatz gibt es tatsächlich noch eine Lücke – gemeinsam mit der Stadt und den zuständigen Dienststellen werden wir uns das im Lauf des Jahres anschauen und Planungen starten. Vom Aumannplatz geht es dann über Klostergasse und Schulgasse bis zum Gürtel. Der obere Teil der Schulgasse ist schon fahrradfreundlich gestaltet, im unteren Teil passiert das gerade mit der aktuellen Baustelle.

Und ja, es ist ein Mix aus Maßnahmen – überall baulich getrennter Radweg ist breitentechnisch teilweise gar nicht möglich, aus Schonung materieller wie finanzieller Ressourcen nicht anzustreben und bei teilweise sehr geringem Autoverkehrsaufkommen auch nicht notwendig.

Unser Fazit: Alsergrund blockiert Verkehrswende im ganzen Nordwesten Wiens

Der 9. Bezirk ist die einzige Verbindung vom bevölkerungsreichen Nordwesten Wiens ins Zentrum, also vom 19. und 18. in die Innere Stadt. Die Entfernung ist ideal, um bei Alltagswegen oder für den Weg in die Arbeit vom Auto auf das Rad umzusteigen. Mit einem E-Bike sind auch die Steigungen kein Problem mehr. Aber wenn es im Alsergrund keine gute Radverbindung gibt, stockt die Verkehrswende im ganzen Nordwesten Wiens. Der Bezirk ist eine schwarzes – oder genauer: ein rotes – Loch für den Radverkehr. Die SPÖ Alsergrund gibt sich gerne progressiv. Gut wäre es, wenn dieser politischen Rhetorik auch konkrete Maßnahmen folgen würden.


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Photos: Radlobby Wien, Müller-Schinwald