Neue Stolpersteine in Währing

Stolpersteine Währing
Stolpersteine Währing

Am Montag werden neue Steine der Erinnerung in Währing vorgestellt. Diese „Stolpersteine“ sollen an das Schicksal der BezirksbewohnerInnen erinnern, die während des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden.

Diese Artikel ist im Rahmen der Lehrveranstaltung „Bootcamp Onlinejournalismus“ an der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien entstanden.

Beim Spazieren durch die Gentzgasse im 18. Wiener Gemeindebezirk fällt der Blick auf kleine Messingplatten, eingelassen im Asphalt des Gehweges: die sogenannten Stolpersteine oder Steine der Erinnerung. Vor der Gentzgasse 40 liest man darauf den Namen von Marie Rosenbaum. Sie wurde am 24.05.1861 geboren und lebte mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter an dieser Adresse. Im Juli 1942 wurde sie von den Nazis mit dem Transport IV/3 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort einen Monat später ermordet. Ein Schicksal, das sie mit vielen in Wien lebenden Jüdinnen und Juden teilen musste. 

Ein Mahnmal der Gräueltaten der NS-Zeit

Jede dieser Tafeln erinnert an Menschen mit verschiedener Herkunft und Religion, die während der NS-Zeit verfolgt wurden und führt Name, Geburtsdatum, Deportationsdatum und Schicksal an. Sie sind sichtbar in den Gehwegen vor den damaligen Wohnhäusern der Verfolgten des Nationalsozialismus eingelassen.

Dieses persönliche Mahnmal der individuellen Lebensgeschichten soll PassantInnen buchstäblich über die Geschichte stolpern lassen und dazu anregen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und über die Menschen, die damals in ihrer unmittelbaren Umgebung lebten, Gedanken zu machen. Eine Passantin erklärt: „Wenn ich an den Stolpersteinen vorbeigehe, erinnern sie mich daran, wie wichtig es ist, Respekt und Toleranz zu verteidigen.“

Stolpersteine Währing: Vom Kunstprojekt zum internationalen Gedenken

Inhaltlich hat sich das Kunstprojekt seit seinen Anfängen leicht gewandelt: Während zu Beginn nur an die Verstorbenen erinnert wurde, werden heute auch Überlebende berücksichtigt. Der Grundgedanke war jedoch bei den ersten Steinen klar: Die Erinnerung an diejenigen wachzuhalten, die während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden.

Die Idee zu den Stolpersteinen entstand Anfang der 1990er Jahre von dem deutschen Künstler Gunter Demnig. Als Nachfolgeprojekt einer Farbspur durch ganz Köln in Gedenken an die Deportation der Roma und Sinti begann er Messingplatten zu entwerfen. Die zehn mal zehn Zentimeter großen Steine, auf denen eine Messingplatte eingelassen ist, markieren den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Stolpersteine als Gedenkform. 1996 verlegte Demnig die ersten Steine in Nordrhein-Westfalen.

Erinnerung in vielen europäischen Ländern

Die Idee der Stolpersteine breitete sich rasch aus und heute sind sie nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen europäischen Ländern zu finden, darunter Österreich, Belgien, Frankreich, die Niederlande, Italien und auch Russland. In Argentinien gibt es seit 2017 eine sogenannte „Stolperschwelle“. Die Steine sind zu einem international anerkannten Gedenkprojekt geworden, das die individuelle als auch kollektive Erinnerung fördern soll.

Karte Deportationsopfer Währing

Die Verlegung der Steine der Erinnerung wird oft von öffentlichen Gedenkveranstaltungen begleitet, bei denen lokale Gemeinschaften, Angehörige und Interessierte zusammenkommen, um der Unschuldigen zu gedenken und sich gemeinsam gegen Faschismus und Diskriminierung zu bestärken. Dieses einfache, aber gehaltvolle Gedenkprojekt trägt dazu bei, dass die einzelnen Schicksale der Leidtragenden nicht in Vergessenheit geraten und erinnert daran, dass die Wahrung der Menschlichkeit eine zeitlebende Verpflichtung für die Gesellschaft ist.

Die neuen Stolpersteine in Währing werden am 6. Mai bei einer gemeinsamen Führung durch den Bezirk vorgestellt. Treffpunkt ist um 16.00 Uhr beim Währinger Park, Eingang Mollgasse.

Alle Informationen finden Sie im Währing-Veranstaltungskalender.

Jüdische Kultur im 18. Bezirk

In Währing spiegelt die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft die Mannigfaltigkeit und blühende Kultur wider, die hier über die Jahrhunderte existierte. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten gab es im 18. Bezirk eine lebendige jüdische Gemeinschaft mit Geschäften und kulturellen Einrichtungen, wie dem Währinger Tempel, auch bekannt als „Synagoge Währing“ der Israelitischen Kultusgemeinde. Die JüdInnen in Währing waren aktive Mitglieder der Gesellschaft, die in unterschiedlichen Berufszweigen tätig waren und zur kulturellen Fülle beitrugen.

Synagoge Währing von Von Jakob Modern – Genée, Pierre: Wiener Synagogen 1826-1938. Wien 1987, gemeinfrei

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in den 1930er Jahren erlebte die jüdische Gemeinschaft in Wien die erbarmungslose Ausgrenzung und Verfolgung. Die Synagoge in der Schopenhauerstraße 39 wurde während der Novemberprogrome 1938 völlig zerstört und die Vertreibung der JüdInnen während des Holocaust war im 18. Bezirk stark spürbar. Viele Menschen wurden aus ihren Häusern gejagt, Familien zerrissen und Existenzen zerstört.

Das Gedächtnis an die jüdische Geschichte im 18. Bezirk wird durch Gedenkstätten wie dem jüdischen Friedhof, kulturelle Veranstaltungen und schulinterne Wissensvermittlung bewahrt. Unter anderem setzt sich das Gymnasium Haizingergasse im Wahlpflichtfach „Geschichte und Politische Bildung“ mit den Spuren der jüdischen Geschichte und Beispielen des Widerstandes gegen die Shoah im 18. Bezirk aktiv auseinander. Dadurch wird versucht bei der nächsten Generation die Erinnerung an die jüdischen Beiträge zum Gemeinwohl, sowie die Gräueltaten, die ihnen während der NS-Herrschaft widerfahren sind, zu bewahren.

Die Zukunft der Stolpersteine in Währing

Nicht jedes dieser Schicksale hat in Form einer Messingtafel bisher im 18. Bezirk Platz gefunden und es gibt noch einige Wohnhäuser, die völlig unerkannt ihrer tragischen Vergangenheit bestehen. Der Verein „Steine der Erinnerung“, der auch hinter der gleichnamigen Webseite unter der Leitung von Mag. Daliah Hindler steht, bietet die Möglichkeit die Stolpersteine anzufordern, einzuweihen, oder auch Instand halten zu lassen.

„Das Gedenken wollen wir an den Orten, an denen jüdische WienerInnen gelebt haben durch das Setzen von Steinen der Erinnerung verankern.“ Dabei hat man es sich zur Aufgabe gemacht, die Stolpersteine in Wien zu verlegen, einzuweihen und dadurch das „jüdische Leben und die jüdische Kultur vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten wach zu halten.“

Der Verein dient dabei als Vermittler zwischen SpenderInnen und PatInnen der Stolpersteine, als auch BewohnerInnen, sowie zur Publikmachung bei Verlegung eines neuen Steins. Dabei biete die Webseite durch die eigene Datenbank mit einer Karte zu den genauen Standorten der Steine, sowie der aktuellen und vergangenen Projekte einen Überblick für Interessierte und Angehörige. 

Der Verein „Steine der Erinnerung“ hat bisher zwei Broschüren über das Schicksal der Opfer aus Währing herausgegeben. Sie können auf der Homepage des Vereins heruntergeladen werden:

Broschüre Währing 1 (2019)

Broschüre Währing 2 (2022)

Photos: Unser Währing.at