Die untere Jörgerstraße im Grenzgebiet von Währing und Hernals wurde saniert und neu gestaltet. Dabei wurden Gefahrenstellen beseitigt, Grünflächen geschaffen und 16 neue Bäume gepflanzt. Ein echter klimagerechter Umbruch ist aber ausgeblieben – er endet exakt an der Bezirksgrenze zum 17en. Wir haben uns den Umbau angeschaut.
Bezirksgrenze als Grenze zwischen Gestern und Morgen
Dass der untere Teil der Jörgerstraße noch zu Währing gehört, wissen die wenigsten. Ab sofort ist die Grenze zwischen den beiden Bezirken hier aber sehr deutlich zu erkennen: Wo Bäume stehen ist der 18e Bezirk. Im 17en dominiert der Asphalt. Die Bezirksvorstehung Hernals hat zwar einen finanziellen Beitrag zum Umbau geleistet. In ihrem eigenen Bereich hat sich aber fast nichts getan. Hier hat König Auto weiter Vorrang gegenüber alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen und den Bedürfnissen der Grätzl-BewohnerInnen. Und das, obwohl laut Daten der Stadt Wien deutlich mehr als die Hälfte der Haushalte hier kein eigenes Kraftfahrzeug besitzt.
Von einer „Klimafiten Jörgerstraße“, wie es in den Presseaussendungen der Stadt Wien heißt, kann also keine Rede sein. Die Jörgerstraße ist außerdem Teil des Hauptradwegenetzes der Stadt Wien – warum die Stadt sich nicht an ihre eigenen Vorhaben hält und die ganze Strecke ordentlich ausbaut, ist nicht nachvollziehbar.
Bedienungsanleitung: Links sind die aktuellen Bilder von Ende Mai, rechts Bilder aus dem Jänner 2022. Mit dem Schieber in der Mitte können Sie die Situation vor und nach dem Umbau vergleichen.
Vorbildlicher Radweg, Bäume und Grünstreifen
Der Blick vom Gürtel in die Jörgerstraße zeigt was alles möglich ist, wenn es den politischen Willen dafür gibt. Eine Fahrspur für die Autos wurde reduziert, statt dessen ist dort jetzt ein baulich getrennter Radweg, ein Grünstreifen und die ersten der insgesamt 16 neuen Bäume. Schon jetzt ist dieser Bereich kaum wieder zu erkennen. Wenn die Bäume in ein paar Jahren groß genug sind, wird hier eine kühle Insel neben der Hitze des Gürtels entstanden sein.
Baulich getrennter Radweg: Ende
Positiv weiter geht es auch vor dem neu gebauten Haus an der Ecke zur Theresiengasse. Der Radweg verschwenkt in Richtung Fahrbahn. Und bei der Kreuzung zur Theresiengasse ist es mit der baulichen Trennung schon wieder vorbei, ab hier ist nur mehr eine Markierung auf der Fahrbahn vorgesehen. Die Radlobby hat sich den Weg angeschaut und eine Testfahrt der Organisation zeigt: Eine sichere Verbindung für Kinder ist das nicht. Dabei ist die Jörgerstraße eigentlich Teil des Hauptradverkehrsnetzes.
Bäume, Grünflächen, Trinkbrunnen
Auch nach der Theresiengasse sieht man, was möglich ist, wenn man wirklich etwas verändern will: Bäume, Grünflächen dazu eine helle Pflasterung um das Speichern von Hitze hintanzuhalten. Insgesamt sind im ganzen Bereich drei Trinkbrunnen installiert worden – einer davon in der Verlängerung der Theresiengasse auf der Hernalser Seite. Kleiner Schönheitsfehler: Von den neuen Bänken sieht man nicht auf die Grünfläche sondern auf den Mistkübel – hier könnte aber mit wenigen Handgriffen Abhilfe geschaffen werden.Großer Schönheitsfehler: Getrennten Radweg gibt es hier keinen mehr. Und bald wird die Straße für die Autos auch wieder zweispurig, damit es einen eigenen Abbiegestreifen zur Martinstraße gibt.
Vorgezogene Gehsteige und Bäume
Vor der Apotheke am Eck zur Martinstraße sind Bäume gepflanzt worden, die den Gehsteig von der Fahrbahn abgrenzen – allerdings gibt es hier keine bauliche Abgrenzung zwischen Radweg und Fahrbahn. Auch neben den Gleisen der Straßenbahn wurden Bäume gepflanzt. So oder so ähnlich könnte eine moderne klimafite Stadt aussehen.
Allerdings ist es hier mit den Änderungen weitgehend vorbei. Bis zur nächsten Kreuzung mit der Ranftlgasse wurden immerhin die Gehsteige vorgezogen, Grünflächen und Sitzgelegenheiten geschaffen, außerdem einer der Trinkbrunnen installiert. Wie es mit dem leerstehenden Würstelstand weitergehen wird, ist noch offen. Sichere Radinfrastruktur gibt es ab der Martinstraße stadtauswärts aber keine mehr.
Hernals: Aus für Klimafit
Die Ranftlgasse ist hier die Grenze zwischen dem 17en und dem 18en Bezirk. Und wenn Ihnen beim Vorher-Nachher-Bild kein Unterschied auffällt, ist das kein Wunder. Im weiteren Verlauf der Jörgerstraße wurde nämlich nur die Fahrbahn abgefräst und neu asphaltiert. Geändert hat sich hier nichts. In der Presseaussendung der Stadt Wien heißt es dazu: Ab der Ranftlgasse gehe der Radweg in die bestehende Radinfrastruktur über – was damit gemeint sein soll, ist nicht ganz klar. Denn eine sichere Radinfrastruktur, wie sie in den Richtlinien der Stadt vorgesehen ist, existiert hier nicht. Statt Bäumen gibt es weiter Parplätze, statt Grünflächen herrscht hier weiter der Asphalt. Von „Klimafit“ kann also keine Rede sein.
Fazit: So wird es nichts mit der klimagerechten Stadt
An keiner anderen Stelle der Stadt wird so deutlich, was Bezirke bewirken können – oder auch eben nicht. Im Währinger Teil der Jörgerstraße gibt es eine zukunftsfähige, wenn auch nicht perfekte Lösung. Dass der Radweg nicht auf der ganzen Länge baulich getrennt verläuft, kann man den Währinger PlanerInnen nur bedingt vorhalten – es liegt unter anderem daran, dass der Radweg im weiteren Verlauf der Jörgerstraße einfach verschwindet.
Die Bezirkspolitik in Hernals geht offenbar davon aus, dass der Klimawandel an der Grenze des 17en Halt machen wird. Die Anrainer werden schon bei der nächsten Hitzewelle in diesem Sommer merken, welche Chance ihre Politiker verpasst haben, indem sie einfach ein paar Meter weiter in Richtung Theresiengasse gehen. Denn hier sorgen die neuen Bäume schon jetzt für eine deutliche Abkühlung.
Photos: Müller-Schinwald