Volksabstimmung über Gersthofer Platzl: Mitbestimmung oder Etikettenschwindel?

Gersthofer Platzl

Rund um das Gersthofer Platzl ist wieder einmal der Wunsch nach einer Volksabstimmung aufgetaucht. In der Stadtverfassung sind solche Abstimmungen aber nicht vorgesehen, sie sind rechtlich also nicht möglich. Auch die „Abstimmungen“ über das Parkpickerl waren nicht mehr als politische Mogelpackungen. Möglichkeiten die Bevölkerung bei der Gestaltung des Bezirks mitreden zu lassen, gibt es trotzdem einige.

Umbau des Platzls ist weiter in der Schwebe

Ob der Umbau des Platzls noch heuer stattfindet, ist in der Schwebe. Der Bezirk hat seinen Teil der Finanzierung im Jänner freigegeben. Jetzt muss die zuständige Stadträtin Uli Sima zustimmen, bis jetzt gibt es dort aber keine Entscheidung. Und die Zeit drängt: Umgebaut werden kann nur während der Sommermonate und die Ausschreibungen der Bauarbeiten brauchen einige Monate Vorlauf.

SPÖ und ÖVP haben das das vorliegende Projekt bisher abgelehnt – hier die Positionen der Parteien. Sie haben immer wieder eine Volksabstimmung oder Volksbefragung darüber gefordert. Schönheitsfehler: Solche Abstimmungen gibt es laut der Wiener Stadtverfassung rechtlich nicht, sie sind daher auch nicht möglich.

Wie die Bevölkerung in die Entscheidungen eingebunden werden kann, ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Wien sind drei Instrumente vorgesehen: Volksbefragungen, Volksbegehren und schließlich die Volksabstimmung, deren Ergebnis rechtlich binden ist. Sie alle können nur für die ganze Stadt angewendet werden, nicht für einzelne Bezirke oder Grätzl. Wie wenig die Stadtpolitik von Volksabstimmungen hält, sieht man daran, dass es bisher in Wien noch keine einzige gegeben hat.

Rücktritt und No-Na-Fragen

Volksbegehren und Volksbefragungen gab es hingegen schon einige. Auch hier gibt es einen Schönheitsfehler: Die Bevölkerung kann zwar abstimmen, die Politik muss die Ergebnisse aber nicht verbindlich umsetzen. Dass eine solche Befragung trotzdem politische Folgen haben kann, zeigt ein Fall mit Bezug zu Währing: 1973 wurde die ganze Stadt befragt, ob ein Teil des Sternwarteparks verbaut werden soll. Ein knappes Drittel der Bevölkerung nahm damals an der Befragung teil und lehnte den Plan ab. In der Folge zog sich der damalige Bürgermeister Felix Slavik aus der Politik zurück. Die letzte Serie von Befragungen fand 2013 statt, Themen waren unter anderem eine mögliche Bewerbung um die Olympischen Spiele 2028, Parkraumbewirtschaftung und die Privatisierung städtischer Betriebe. Kritiker sprachen damals von No-Na-Fragen, der bekannte Jurist Heinz Mayer meinte sogar, einige Fragen seien nahe an einem Missbrauch der direkten Demokratie.

Peter Kühnberger

„Wir wollen den BürgerInnen helfen, die Mechanismen der Stadt zu verstehen und sie mitzugestalten.“

Peter Kühnberger, Koordinator „Agenda Währing“

Pseudo-Abstimmungen aus dem Marketingbudget

Die Mitbestimmung auf Bezirksebene ist im §104 der Stadtverfassung geregelt und sieht nur zwei Instrumente vor: Erstens Bürgerversammlungen, die zur Information und Diskussion umstrittener Themen dienen sollen. Die letzte Bürgerversammlung in Währing hat zum Umbau des Gersthofer Platzls stattgefunden. Und zweitens Petitionen – das bedeutet, dass alle BezirksbewohnerInnen sich mit Wünschen und Vorschlägen an die Bezirksvorstehung und das Bezirksparlament wenden können. Einen Anspruch diese Wünsche durchzusetzen, gibt es aber natürlich nicht.

Die sogenannten „Abstimmungen“ über das Parkpickerl in Währing bewegten sich damit rechtlich im luftleeren Raum. Demokratische Mindeststandards waren nicht definiert, also zum Beispiel ob das Ergebnis rechtlich bindend ist oder nicht, wie hoch eine Mindestbeteiligung sein muss, wie Fälschungen und Wahlbetrug verhindert werden können und noch einiges mehr. In der Schweiz, die oft als Vorbild für solche Abstimmungen genannt wird, gelten in diesem Bereich strikte Regeln: Die BürgerInnen bekommen umfangreiche Informationen, Kostenabschätzungen etc. über die Projekte vorgelegt, es gibt auch Mechanismen um Suggestivfragen zu verhindern, die das Ergebnis beeinflussen könnten.

Bei den „Abstimmungen“ zum Parkpickerl in Währing haben alle diese Grundlagen gefehlt. Tatsächlich handelte es sich um Meinungsumfragen ohne demokratische Grundlage, die aus dem Marketingbudget bezahlt wurden. Die Kosten wurden übrigens jeweils mit 50.000 Euro veranschlagt. Wenig überraschend brachte die nach demokratischen Standards organisierte Bezirksvertretungswahl bei dieser Frage ein deutlich anderes Ergebnis als die „Abstimmungen“: Die Parteien, die sich für das Parkpickerl ausgesprochen hatten, bekamen zusammen fast eine 2/3-Mehrheit.

Bürgerbeteiligung ist kein Wunschkonzert

Damit die Wienerinnen und Wiener bei der Gestaltung der Stadt mitreden können, gibt es seit einigen Jahren eine ganze Reihe von Instrumenten. Das beginnt bei den Kinder- und Jugendparlamenten, bei denen in Workshops an den Schulen die Wünsche erfragt werden und dann auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. Währing war hier in den letzten Jahren führend: Mehr als 60 Prozent der Wünsche dieser Parlamente konnten umgesetzt werden. Ein anderes Instrument ist die so genannte „Lokale Agenda 21“, die es in elf Wiener Bezirken gibt. Ein Team von Beraterinnen und Beratern unterstützt die Menschen dabei, ihre Wünsche zu sammeln, Interessensgruppen zu bilden und dann gemeinsam konkrete Projekte zu erstellen.

Gersthof vor dem Umbau

Ja-Nein Fragen führen zu Polarisierung und nicht dazu, gemeinsam Lösungen und Visionen zu entwickeln.

Peter Kühnberger, „Agenda Währing“

In Währing gibt es eine ganze Reihe solcher Agenda-Gruppen: Die Gruppe „1000 Blätter mehr“ versucht mehr Grün ins Kreuzgassenviertel zu bekommen, die Gruppe „Bildungsgrätzl Ebner-Inklusiv-Eschenbach“ vernetzt die Schulen und Bildungseinrichungen in diesem Bereich, eine Gruppe hat den Gemeinschaftsgarten im Leopold-Rosenmayr-Park gegründet, eine andere organisiert gemeinsame Bewegungsangebote im öffentlichen Raum. Auch der Plan für den Umbau des Gersthofer Platzls wurde von einer Agendagruppe gemeinsam mit dem Magistrat, den Wiener Linien und den lokalen Geschäftsleuten erarbeitet.

Es reicht nicht, einfach Wünsche zu formulieren. Wer will, dass diese Wünsche auch in Erfüllung gehen, muss mehr tun als darauf zu warten, dass andere sich darum kümmern. Es gilt zu klären, ob sie technisch und rechtlich überhaupt umsetzbar sind, welche Stelle im Magistrat dafür zuständig ist, wer ein entsprechendes Budget hat, ob es Einsprüche aus der Nachbarschaft gibt etc. Und zum Schluss müssen die politischen Entscheidungsträger überzeugt werden.

Neue Stadtregierung plant stärkere Bürgerbeteiligung

Im Regierungsprogramm von SPÖ und NEOS sind eine ganze Reihe von zusätzlichen Maßnahmen vorgesehen, um die Bürgerbeteiligung zu stärken. Vor allem auf digitalem Weg sollen mehr Menschen in die Entscheidungen eingebunden werden, Grätzlarbeit soll verstärkt werden. Geplant sind unter anderem ein eigenes Kompetenzzentrum im Magistrat für Bürgerbeteiligung und ein partizipatives Klimainvestitionsbudget. Und nicht zuletzt will die neue Koalition den rechtlichen Rahmen schaffen, um verbindliche Abstimmungen auf Bezirksebene durchzuführen. Vor allem für den letzten Schritt ist aber eine Änderung der Wiener Stadtverfassung notwendig. Solange das nicht passiert ist, bleiben die Rufe nach „Abstimmungen“ auf Bezirksebene nur eines: Rechtlich und politisch fragwürdig.