Etwa 3.000 Wohnungen in Währing sind in Gemeindebauten: Vom Lindenhof über den Pfannenstiel-Hof bis zum Aldo-Moro-Hof. Herbert Bichl hat nachgeforscht, wie die Bauten zu ihren Namen gekommen sind.
Bezirkspolitiker und Präsident des Museumsvereins
Wer mit Herbert Bichl durch Gersthof wandert, bekommt eine Geschichten und eine Idee nach der anderen präsentiert. Hier könnte man etwas verbessern, da sei schon etwas umgesetzt worden und dort habe sich einmal etwas Interessantes ereignet. Dass der Pensionist lange Bezirkspolitiker war, merkt man sofort. An einer Stelle könnte der Asphalt aufgerissen werden um neue Bäume zu pflanzen. An einer anderen Stelle hängt eine Gedenktafel, die er vorgeschlagen hat – zuletzt die Erinnerungstafel für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus im Rudolf-Sigmund-Hof. Sein Wissen über die Geschichte des Bezirks hat der frühere Präsident des Währinger Museumsvereins vor einigen Jahren in einem Buch zusammengefasst. Jetzt hat er sich den Gemeindebauten gewidmet, genauer: Ihren Namensgebern.
Großteil der Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit
1923 wurde in der Lacknergasse 96 das erste „Volkswohnhaus der Gemeinde Wien“ im Bezirk Währing fertig gestellt. In der Zeit des „Roten Wien“ kamen noch eine ganze Reihe weiterer Gemeindebauten dazu, bis 1934 der Austrofaschismus und später der Nationalsozialismus dieser Ära ein Ende setzten. Das Ziel der Gemeindebauten war in den 1920ern revolutionär und wird bis heute international beachtet: Statt in Substandard-Unterkünften sollten die Menschen in Wohnungen mit eigenem WC, Wasser- und Stromanschluss wohnen.
Dazu kamen großzügige Freiflächen und Gemeinschaftseinrichtungen. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden noch einige zusätzliche Gemeindebauten, der Großteil der Anlagen in Währing stammt aber aus der Zwischenkriegszeit. Die Architektur der Bauten ist anspruchsvoll, die meisten von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Der vorerst letzte Gemeindebau ist der Hala-Hof in der Schulgasse aus dem Jahr 1982.
Viele Namen kamen erst Jahrzehnte nach der Errichtung
Der berühmteste Gemeindebau in Wien ist der Karl-Marx-Hof in Heiligenstadt, der auch unter diesem Namen gebaut wurde. Viele andere Höfe erhielten ihre Namen aber erst später. Der Pfannenstiel-Hof in der oberen Kreuzgasse bekam seinen Namen erst 1951, der Sigmund-Hof in Gersthof überhaupt erst 2007. Einige Bauten haben bis heute keinen Namen, andere tragen ihren Namen nur inoffiziell: Der „Lindenhof“ als größter Gemeindebau in Währing heißt so wegen einer alten Linde auf dem Grundstück.
Vortrag: Währings Gemeindebauten und ihre Namensgeber
Mittwoch, 18.Mai, 16.00-18.00 Uhr
Pensionistenklub Lindenhof, Paulinengasse 9/Stiege 3
Eintritt frei. Weitere Informationen finden Sie in unserem Kalender
Benannt nach verdienten BezirksbewohnerInnen
Wenn man Herbert Bichl als „Urgestein“ der Währinger SPÖ bezeichnet, dann lacht er. Tatsächlich ist der 81-jährige Pensionist seit mehreren Jahrzehnten Parteimitglied, war lange Bezirksrat und sogar Clubvorsitzender SPÖ im Währinger Bezirksparlament. Einige Namen der Gemeindebauten hat er selbst vorgeschlagen. Viele Gemeindebauten seien nach verdienstvollen BewohnerInnen von Währing benannt worden, erzählt er. Der Namensgeber für den Rudolf-Sigmund-Hof war zum Beispiel der Bezirksvorsteher des Jahres 1945, der später noch lange in Wiener Gemeindepolitik tätig war. Der Friedrich-Homolek-Hof-in der Martinstraße wurde nach seinem Nachfolger als Bezirksvorsteher benannt.
Internationale Politiker als Namensgebern
Der Toeplerhof in der Währingerstraße 169-171 erhielt seinen Namen von der Grundbesitzerin Rosa Toepler, die das Grundstück zur Verfügung gestellt hatte. Der Pfannenstiel-Hof heißt nach dem sozialdemokratischen Widerstandskämpfer Franz Pfannenstiel. Dazu kommen noch einige Namen mit internationalem Bezug, etwa der Neruda-Hof, der nach dem chilenischen Dichter und Politiker Pablo Neruda benannt ist oder der Aldo-Moro-Hof. Der Namensgeber war italienischer Politiker, der von den „Roten Brigaden“ ermordet wurde.
Der Christdemokrat Aldo Moro ist ein Beweis dafür, dass nicht nur „linke“ Politiker als Namensgeber fungieren. Auch Ernst-Karl Winter, nach dem der Hof in der Thimiggasse 63-69 benannt ist, war nicht nur Soziologe und Schriftsteller sondern auch christlich-sozialer Kommunalpolitiker.
Einige Gemeindebauten sind noch namenlos
Die Namen für die Gemeindebauten schlägt der Bezirk vor, die Benennung erfolgt dann in Abstimmung mit der Stadt und Wiener Wohnen. Eine genaue Übersicht über die Namensgeber wird Herbert Bichl bei einem Vortrag im Pensionistenclub im Lindenhof geben. Er plant dazu auch einen längeren Artikel in der Zeitschrift des Währinger Museumsvereins.
Und zu den bestehenden Namen werden künftig noch neue dazu kommen. Im Juni 2021 hat die SPÖ im Bezirksparlament den Antrag gestellt, weitere Gemeindebauten nach verdienten Bezirksbewohnerinnen zu benennen. Hört man sich im Wiener Rathaus um erfährt man, dass zum Beispiel ein Bau für den verstorbenen langjährigen Finanzminister Rudolf Edlinger gesucht wird, der fest in der Währinger SPÖ verwurzelt war. Den Historikern und Historikerinnen im Bezirk wird die Arbeit also nicht so schnell ausgehen.
Photos: Müller-Schinwald