Im Restaurant Centimeter am Währinger Gürtel haben im Herbst mehrere von Rechtsextremen und Neonazis organisierte Veranstaltungen stattgefunden. Wir haben uns die Hintergründe angeschaut und beim Besitzer nachgefragt
Update 5.12.: Das Centimeter hat uns mitgeteilt, die gesamte Veranstaltungsreihe sei inzwischen gecancelt worden. Im Centimeter gebe es keinen Platz für extremistische Organisationen. Die ursprünglich angekündigte für Dezember angekündigte Veranstaltung hat nicht im Centimeter am Währinger Gürtel stattgefunden.
„Gerd-Honsik-Erinnerungskongress“ am Währinger Gürtel
Es war ein Treffen einschlägig bekannter Neonazis aus halb Europa. Beim „Gerd-Honsik-Erinnerungskongreß“ trafen sich Anfang Oktober Vertreter von rechtsextremen Bewegungen aus Deutschland, Skandinavien und Italien, einige von ihnen wurden davor wegen ihrer politischen Aktivitäten bereits verurteilt. Gesprochen wurde laut Berichten der Teilnehmer auf sozialen Medien über Rassenlehre und Blutmystik. Schon der Name der Veranstaltung zeigt die ideologische Ausrichtung. Der im Jahr 2018 verstorbene Gerd Honsik war ein mehrfach verurteilter Neonazi und Holocaustleugner.
Wiener Centimeter statt Sopron
Laut der Einladung hätte der Kongress im westungarischen Sopron stattfinden sollen, weil nationalsozialistische Wiederbetätigung in unserem Nachbarland nicht verboten ist. Wie der Journalist Christof Mackinger für den Blog „Störungsmelder“ der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ herausfand, haben sich die Teilnehmer aber in Wirklichkeit im „Centimeter“ am Währinger Gürtel in Wien getroffen. Bilder des Kongresses, die von Teilnehmern veröffentlicht wurden, zeigen eindeutig den Veranstaltungsraum im Keller der „Volksgaststätte“, wie ein schwedischer Neonazi es in seinem Bericht ausdrückte.
Pollischansky: Können nicht alle überprüfen
„Unser Währing.at“ hat beim Besitzer der Centimer-Kette, Heinz Pollischansky, nachgefragt, wie es zu dem Kongress gekommen ist. Pollischansky gibt an, er habe nichts davon gewusst. Die Räume seien unter einem anderen Namen reserviert worden. Schon aus Selbstschutz würde er keine Veranstaltung radikaler Gruppen zulassen. In diesem Fall habe es im Vorfeld aber keinen Hinweis darauf gegeben, auch seinen Mitarbeitern sei an dem Tag nichts besonderes aufgefallen. Er betreibe mehrere Lokale, sagt Pollischansky, täglich gebe es hunderte Reservierungen, es sei unmöglich alle davon zu überprüfen. Und er bitte darum, nicht weiter über den Fall zu berichten, um nicht ähnliche Gruppierungen den Eindruck zu vermitteln, seine Lokale könnten ihnen als Bühne dienen.
Veranstaltungsreihe mit Gottfried Küssel, Schlüsselfigur des heimischen Rechtsextremismus
Tatsächlich passiert aber genau das immer wieder. Im selben Raum, in dem im Oktober der „Gerd-Honsik-Erinnerungskongress“ stattgefunden hat, gibt es seit September eine monatliche Veranstaltungsreihe, die von einer „Akademie des Widerstandes“ organisiert wird. In den Einladungen geht es um harmlose Themen wie Krypto-Währungen, Windkraft oder J.R.R. Tolkien, den Autor von“Herr der Ringe“. Beim Besuch von „Unser Währing.at“ bei einer der Veranstaltungen war aber vor allem der Moderator und Gastgeber des Abends auffallend. Durch den Abend führte niemand anderer als Gottfried Küssel, ein mehrfach verurteilter Holocaustleugner, der als Schlüsselfigur der deutschen und österreichischen Neonazi-Szene gilt.
Küssel ist in den letzten Jahren auch als einer der Anführer von Anti-Corona-Kundgebungen aufgetreten. Angekündigt wird die Veranstaltungsreihe über einen Telegram-Kanal, der aus dem Umfeld dieser sogenannten „Maßnahmen-Gegner“ kommt. Beobachter der rechtsextremen Szene rechnen diesen Kanal schon länger Küssel zu.
Kein Hausverbot, wenn sich Gäste normal benehmen
Unser-Währing.at hat bei Centimeter-Betreiber Pollischansky nachgefragt, ob er wisse, dass der mehrfach verurteilte Neonazi Gottfried Küssel in seinem Lokal eine Veranstaltungsreihe organisiert. Pollischansky stellt das in Abrede und verweist wiederum darauf, dass nicht jede Reservierung vorab geprüft werden könne. Würden seine Mitarbeiter bemerken, dass es um Politik gehe, würde die Veranstaltung beendet. Das sei aber nicht der Fall gewesen, in dieser Veranstaltungsreihe gehe es um andere Themen. Und nur weil jemand einschlägig verurteilt worden sei, könne er ihn nicht hinauswerfen, wenn er sich im Lokal selbst ordentlich verhalte.
Beliebt bei Rechtsextremen und Identitären
Die Centimeter-Kette und die anderen Lokale von Pollischansky sind in der rechtsextremen Szene seit Jahren beliebt. Unter anderem wurde Gottfried Küssel hier beim Public-Viewing eines Fußballspiels gesehen, als er während seiner Haft auf Freigang war. Und 2019 feierten Vertreter der „Identitären Bewegung“ in einer anderen Centimeter-Filiale nach einer großen Kundgebung in der Innenstadt.
Veranstaltungsreihe wird weiter angekündigt
Im Gespräch mit „Unser-Währing.at“ betont Centimeter-Betreiber Pollischansky, dass er mit dieser politischen Bewegung nichts am Hut habe. Dem mehrfach wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilten Gottfried Küssel habe er sogar einmal untersagt, eine Pressekonferenz in einem seiner Lokale zu organisieren. Das ändert aber nichts daran, dass die aktuelle Veranstaltungsreihe, bei der Küssel als Gastgeber auftritt, weiter im Centimeter am Währinger Gürtel stattfindet. Zwei Termine haben bereits stattgefunden, im gleichen Raum wie der „Gerd-Honsik-Erinnerungskongress“. Und die Einladung für den dritten Termin im Dezember wird auf Telegram bereits eifrig verbreitet.
Photos: Unser-Währing.at