Bei der „Anni“: Jeder kann sympathisch sein

Anni Rein Backwaren Sternwarte

Bei den „Backwaren zur Sternwarte“ gibt es nicht nur Kaffee, Brot und Lebensmittel. Anni Rein hat die kleine Bäckerei vor mehr als 20 Jahren übernommen. Und alle Kunden sind sich einige: In ihrem Geschäft schlägt das Herz des Grätzels.

Bäckerei als Grätzl-Treffpunkt

Jeder Mensch kann hilfsbereit und sympathisch sein, meint Anni Rein. Manche müsse man dazu eben nur ein wenig motivieren. Die meisten Kunden kennen sie eigentlich nur als „die Anni“. Und sie kennt ihre Kunden – nicht unbedingt alle mit vollem Namen, aber sie wisse: Das sei der Herr mit dem schwarzen Hund, der ums Eck im 9er-Haus wohne. Oder die Frau mit einem kranken Mann. Oder ein Kind, das immer wieder vorbeikomme, um über die Schule zu reden und beim Kassieren zu helfen.

Brot und Gebäck von lokalen Produzenten

Der Tag von Anni beginnt früh. Ab fünf Uhr in der Früh steht sie im Geschäft und wartet auf die ersten Lieferanten. Dabei ist sie streng und legt Wert auf Qualität: Die Mehlspeisen kommen von der Konditorei Hübler im 17en, Brot und Gebäck sind von der Bäckerei Rieppl im 15en. Zu Mittag macht sie das Geschäft für knapp zwei Stunde zu, in denen sie Lebensmittel an Kundinnen und Kunden im Grätzl ausliefert. Vor allem an ältere Leute – viele davon würden sich seit der Pandemie ja gar nicht mehr aus dem Haus trauen. Um drei macht sie wieder auf und steht dann bis halb Sieben im Geschäft. Sie sei schon manchmal müde, sagt sie. Aber dann wisse sie wenigstens, wo die Müdigkeit herkomme.

Anni Rein - Süßigkeiten

Wenn Sie die Anni nicht hätte, dann… eine Kundin tut sich schwer, überhaupt eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ihr Geschäft sei einfach der Mittelpunkt des Grätzls zwischen Gürtel, Währinger Park, Gymnasiumsstraße und Gentzgasse. Die Leute kommen vorbei, um sich Brot oder eine Kleinigkeit zum Essen zu holen.

Wenn Sie in der Früh bei Anni eine Mehlspeise kaufe, versüße ihr das den Tag, erzählt eine Kundin – und zwar nicht nur wegen der Mehlspeisen. Die Anni sei einfach immer gut drauf. Und Anni ergänzt: Fast immer.

Backwaren seit 1889

Seit 1889 wird im Ecklokal in der Sternwartestraße Brot und Gebäck verkauft – also seit das Gebäude errichtet wurde. Im Keller steht immer noch ein alter Backofen, der heute allerdings nicht mehr in Betrieb ist. Seit den 1960ern wird das Brot zugekauft. Im Jahr 1991 beginnt dann die Ära von Anni. Zuerst als Angestellte. Als die frühere Chefin in Pension geht und das Geschäft schließen will, habe dann sie übernommen. Einerseits wegen der vielen Stammkunden, die sich mit Tränen in den Augen von ihr verabschiedet haben. Und wegen dem Berater von der Wirtschaftskammer, bei dem sie sich wegen einer Betriebsübernahme erkundigt hat. Der habe damals gemeint: Sperren Sie zu, suchen Sie sich etwas anderes. Das habe ihren Ehrgeiz geweckt, sagt Anni. Von bestimmten Leuten wolle sie sich einfach nichts sagen lassen.

Geboren in Währing, Produkte aus Österreich

Die Produkte bei Anni stammen fast alle aus heimischer Produktion. Den größten Umsatz mache sie mit den Mehlspeisen. In der Vitrine liegen Schinken, Salami, Eier, Käse und noch ein paar andere Lebensmittel. Alles was man für den täglichen Bedarf braucht, aber nicht sehr viel mehr. Was übrig bleibt, verkoche sie selber, sagt Anni. Überhaupt: Verschwendung ist ihr ein Graus. Lieber verkaufe sie Brot am nächsten Tag um die Hälfte, als irgendetwas wegzuwerfen.

Anni Rein - Backwaren

Geboren wurde Anni Rein in der Semmelweisklinik in Währing, sie wohnt auch im Bezirk. Die steigenden Preise würden ihr das Leben nicht leichter machen, sagt sie, reich werde man hier nicht. Aber sogar an den freien Sonntagen geht ihr das Geschäft nicht aus dem Kopf: Bei einem Ausflug vor ein paar Jahren habe sie Spargel bei einem Bauern in Mannsdorf in Niederösterreich gekauft. Davon habe sie ihren Kunden vorgeschwärmt. Und jetzt gibt es den Spargel aus Mannsdorf während der Saison auch bei ihr im Geschäft.

Gespräche und andere lebenswichtige Güter

Im Ecklokal in der Sternwartestraße gibt es Lebensmittel zu kaufen und ein Gespräch gratis dazu – entweder mit der Geschäftsinhaberin selbst, oder mit anderen Kunden. Die Welt sei nicht so schlimm wie es in der Kronenzeitung steht, sagt Anni. Im Leben gehe es darum, sich gegenseitig zu helfen. Diese Fähigkeit stecke in allen Menschen drinnen. Manchmal müsse man eben ein wenig nachhelfen, damit sie auch zum Vorschein kommt.

Anni Rein - Backwaren Sternwartestraße

Backwaren zur Sternwarte

Sternwartestraße 4, 1180 Wien

Mo-Fr 5.45-13.15 und 15.00-18.30

Sa 5.45-12.30


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Foto: Unser-Währing.at